1. Fastensonntag: Sich mit seiner Lebensgeschichte versöhnen

Ich nehme dieses Leben an, so wie es ist – ein Fastenweg

Dieses Motto führt uns heuer durch die Fastenzeit. Das Seil vor dem Altar soll diesen Weg, auf dem auch so mancher Stein liegen kann, symbolisieren.

1. Fastensonntag 2019
Sich mit seiner Lebensgeschichte versöhnen

Gerade jetzt bieten sich Momente des Innehaltens und der Besinnung an, mich mit meinem Lebensweg auseinanderzusetzen:

  • Jeden Augenblick im Hier und Jetzt als mein Leben bewusst zu er-leben
  • darin positiven Werten, wie Liebe und Hoffnung, Raum zu geben,
  • mich in wertorientierten Gesprächen meinem Nächsten zuzuwenden,
  • mich im Vertrauen auf Gott immer wieder aufzurichten.

Wir haben ein ganzes Leben lang zu lernen, wie Leben geht.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, seine Lebensgeschichte anzunehmen:
Unabänderliches muss akzeptiert werden!
Mit Erich Fried gesagt: „Hör auf, dein Unglück zu lieben, und liebe dein Glück.“

Leid und Glück gehören zu meinem Leben; die Steine auf unserem Lebensweg sind eine Herausforderung, trotzdem motiviert und optimistisch weiterzugehen! Mit Gottes Hilfe gibt es immer einen Aus-Weg, wie es im heutigen Antwortpsalm (Ps 91,11f) heißt:

Denn er befiehlt seinen Engeln ,
dich zu behüten auf all deinen Wegen.

Sie tragen dich auf ihren Händen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt

Beten wir gemeinsam im Kyrie um den Beistand Gottes.

Lesung: Dtn 26, 4-10

Evangelium: Lk 4, 1-13

 

Predigt von Pfarrer Dietmar Stipsits:
Liebe ChristInnen!

„Mich mit meiner Lebensgeschichte versöhnen“ lautet der rote Faden für den heutigen 1. Fastensonntag. Das Wort „versöhnen“ stammt vom mittelhochdeutschen Wort „süene, suone“ und bedeutet „Schlichtung, Friede, Kuss“. Mich versöhnen mit meiner Lebensgeschichte, mit mir selbst bedeutet also von der deutschen Sprachgeschichte her: Frieden stiften mit mir selbst, den Streit zwischen den verschiedenen sich bekämpfenden Gedanken und Wünsche schlichten, alles, was in mir ist, was ein Teil von mir ist, was ich bin und alles, was mein Leben ausmacht, zu küssen! Letztlich bedeutet es für mich: Gut mit mir selber umgehen, zärtlich, liebevoll, gütig, friedvoll.

Wie kann ich mit mir selber gut umgehen? Wie kann ich mich mit meiner Lebensgeschichte versöhnen? Ich glaube, das gelingt mir dann, wenn ich vor allem in den wichtigen Situationen meines Lebens die Erfahrung machen durfte, bedingungslos angenommen zu sein, und dass ich diese Erfahrung auch in der Gegenwart immer wieder machen darf. Zu mir selbst kann ich also dann „Ja“ sagen, so meine ich, wenn ich selbst erfahren habe, von anderen bejaht, angenommen zu sein.

Und zugleich heißt es für mich ebenso, dass ich darauf vertraue, dass ich von Gott bejaht bin, dass Gott von Anfang meines Seins an bis in Ewigkeit „Ja“ zu mir sagt, mich ganz und gar annimmt. Ich kann mein Leben und mich annehmen, so wie ich bin, weil ich darauf baue, dass Gott mich gern hat, mich liebt; weil ich darauf vertraue, dass Gott mich zärtlich umarmt und mich nie fallen lässt. Wie kann ich also konkret mit mir selber gut umgehen? Wie kann ich mich mit meiner Lebensgeschichte versöhnen, wie kann ich sie küssen? Das Schlussgebet, dass ich beim Aschermittwoch-Gottesdienst verwendet habe, bringt es für mich auf den Punkt:

Hingabe leben
weil ich weiß
dass ich angenommen bin
und liebenswert
auch in all meiner Zerbrochenheit

Ja sagen zu meiner Geschichte
ich habe keine andere
trotz allem konnte
unendlich viel Gutes wachsen
auch in allem Verletztsein

Nicht Vergangenem nachtrauern
und nicht von Zukunftssorgen
mich bestimmen lassen
sondern im Augenblick
Licht und Schatten annehmen

Aufatmen
weil ich mich lassen kann
DIR überlassen – in Zeit und Ewigkeit.

(Pierre Stutz, Der Stimme des Herzens folgen. Jahreslesebuch, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2005, 145.)

 

Fürbitten
Guter Gott, du begleitest uns auch in der Fastenzeit auf unserem Lebensweg und richtest uns auf.

Wir beten für alle Menschen, die auf der Suche nach einem erfüllten und sinnvollen Leben sind.
Öffne ihre Sinne für ein Leben in Fülle, wie es Jesus Christus verheißen hat.
Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für alle Menschen, die verstrickt in den Konkurrenzkampf des Alltags dein Wirken nicht zu erkennen vermögen.
Lass sie wahre Werte finden und spüren, dass du uns alle in deinen wohlwollenden Händen hältst.
Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für alle Menschen, die mit Krankheit, Tod oder mit dem Gefühl, überfordert zu sein, konfrontiert sind.
Zeige ihnen, wie sie damit umgehen können.
Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für alle Menschen, die Verantwortung in der Kirche tragen.
Gib ihnen die Kraft, trotz mancher Steine auf ihrem Weg nicht zu resignieren.
Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns.

Dir, guter Gott, vertrauen wir. Du hast uns das Leben geschenkt.
Du kannst uns geben, was wir zum Leben brauchen, durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Amen.

 

Meditation
Steine,
Trümmer,
Kreuze in meinem Leben …

Die Kreuze in meinem Leben begegnen mir doch oft so,
wie ich es nicht erwarte.
Die Kreuze in meinem Leben tauchen da auf und erhalten ihre Form,

  • wo mein Wünschen abgebrochen wird,
  • wo das, was mich trägt, plötzlich einbricht,
  • wo Freunde sich mir entfremden,
  • wo ich mit all meinem Wollen und Können an Grenzen stoße.

Die Kreuze in meinem Leben sind geprägt von den Linien meines Lebens.

  • Mein Suchen, Ringen und Kämpfen,
  • mein Ausharren, Leiden und Schreien,
  • mein Hinhalten, Zweifeln und Verstummen prägt sich ein.

Nach Lea Barnert